St. Laurenzen

Am Anfang der Geschichte steht ein heiliger Ort, eine Gebetsstätte, an welche Menschen kamen, um Kraft zu schöpfen, in seelischen und körperlichen Nöten die Nähe Gottes zu spüren und seine Hilfe zu erfahren.

Eine dem frühchristlichen Märtyrer und volkstümlichen Heiligen, Laurentius, geweihte Kapelle stand in dieser idyllischen Talsenke. Neben derselben trat eine Heilquelle (Subtherme) zutage, die aus zwei Quellen, einer kalten und einer warmen bestand. Die erste Erwähnung des „St. Laurenzenbrunnen“ steht in einem Brief von Bruder Johannes von OW (Au) im Jahre 1478. Auch im Bundesbrief der Solothurner und Fryburger 1481 wird der St. Laurenzenbrunnen erwähnt.

Über die Errichtung und die Zerstörung oder den Verfall der Kapelle finden sich keine eindeutigen Hinweise. Nach dem alten Jahrzeitbuch von Erlinsbach hatten die Gugler bei ihrem Raubzug von 1375 das damalige Laurentiuskirchlein zerstört. Dass ein Brief von 1485 die „cappel“ zweimal erwähnt, bezeugt dass sie wieder aufgebaut wurde. Wahrscheinlich ist die Kapelle nach der Reformation langsam zerfallen. Die St. Laurenzenquelle wurde weiterhin als Heilbad benutzt, vor allem bei Hauterkrankungen, wenn die grossen Heilbäder keine Besserung brachten. In den Jahren 1839 – 1841 wurde über der Laurenzenquelle ein Kur- und Badehaus errichtet. Der angesehene Zürcher Professor Löwig schrieb in einer Analyse, die Quelle sei mit einer auffallend hohen Temperatur von 17,5 Grad sehr ergiebig, und das Bad wurde durch den Naturforscher und Arzt Theodor Zschokke ausführlich und positiv bewertet. Das Heilwasser aus den beiden Quellen sollte bei Nerven-, Haut- und Gliedererkrankungen Heilung bringen. Es sollen sogar Leute hierher gekommen sein, die im Leukerbad und anderen grossen Bädern keine Heilung fanden. Bis zum Ende des 20. Jh. bestand zweimal täglich eine Wagenverbindung von Aarau zum Laurenzenbad und im Volksmund wurde der Wagen als „Gsüchtiwagen“ bezeichnet. Ja, bis heute ist der heilige Laurentius in Aarau allpräsent durch das Laurenzentor, die Laurenzentorgasse und die Laurenzenvorstadt.

Mit dem Badearzt Dr. K. Fischer, der das Heilwasser negativ bewertete, begann Anfang 20. Jahrhundert der Niedergang des Kurbadbetriebes.
1907 wurde die Liegenschaft vom letzten Badewirt, Samuel Wüthrich, verkauft. Der reformierte Pfarrherr Karl Schweizer von Zofingen gründete einen Verein und erstand die Gebäude zur Einrichtung eines aargauischen Asyls für unheilbar Kranke. Im ersten Jahr gingen bereits 88 Aufnahmegesuche ein. Dank der Unterstützung von Gemeinden und Kanton, vielen Spendern und grosszügigen Legaten konnte der Betrieb wachsenden Anforderungen immer wieder angepasst werden zum Segen der vielen Menschen, die hier mit multiplen Gebrechen liebevoll gepflegt wurden bis zum Tod. Im Laufe der Geschichte wurde die „Anstalt für Unheilbare“ in „Kantonale Heimstätte für chronisch Körperkranke und Altersschwache“ umbenannt. In der Tat beherbergte das Heim lange Zeit weniger begüterte Bevölkerungsschichten, vor allem Knechte und Mägde. Damit die Einsatzfähigen unter ihnen noch Hand anlegen konnten, wurde Land dazu gekauft und ein Landwirtschaftsbetrieb errichtet, der später an einen Pächter überging. Als Pflegeheim auf reformiertem Gebiet hiess das St. Laurenzenbad lange Zeit „Friedheim“. Doch der Bezug der Bevölkerung zur Geschichte dieses Ortes war so tief verwurzelt, dass man sich 1969 entschied, zum Namen Laurenzenbad (ohne Sankt) zurückzukehren. Ende Juni 2011 wurde das in die Jahre gekommene Krankenheim Laurenzenbad auf die Barmelweid verlegt – um Synergien zu nutzen – und die Gebäulichkeiten von uns Clara-Schwestern übernommen.

„Damit schliesst sich der Kreis“, meinte die letzte Heimleiterin, Christine Leimer, als sie von unseren Plänen hörte, das St. Laurenzenkirchlein als Klosterkapelle neu zu erbauen und das Hauptgebäude in den Dienst der Öffentlichkeit zu stellen. Auch Gemeindeammann Markus Lüthy freute sich, dass „dieses altehrwürdige Gebäude, eingebettet in eine wunderschöne Landschaft – ein Ort der Ruhe und des Friedens“* als solcher erhalten und behütet wird.

Der aus zwei Quellen bestehende St. Laurenzenquell fliesst übrigens noch immer so reichlich, dass er das ganze Dorf Erlinsbach AG, und sogar noch einen kleinen Teil von Erlinsbach SO mit Trinkwasser versorgt (ausgenommen bei langer Trockenheit, wo zusätzlich der Überlauf der Beguttenalp oder Grundwasser von Aarau bezogen werden kann). Somit sind wir Schwestern nicht nur Hüterinnen eines Heiligtums und einer historischen Stätte, sondern auch des Trinkwassers unseres Dorfes.

Seit der Raum, unter dem sich die Grotte befindet, nicht mehr als Arbeitsraum gebraucht wird – dem Krankenheim diente er als Bügelraum – kommen immer mehr Leute mit dem Wunsch, die Quelle zu sehen und das Wasser zu kosten. Letzteres ist leider im Mo-ment noch nicht möglich und ersteres nur für Sportliche zugänglich über in die senkrechte Mauer eingelassene Eisenbügel.
 

*Gedanken eines Erlinsbachers zum Friedheim in Jubiläumsbroschüre, Mai 2008