Franziskus und Clara stehen am Ursprung unseres Ordens
Franziskus wurde 1181/82 als Sohn eines wohlhabenden Tuchhändlers in Assisi geboren. Als er größer war, verkaufte er im Geschäft seines Vaters Tücher und Stoffe und genoss mit seinen Freunden auf vielen Festen das Leben, bis er 1202/3 beim Kampf gegen Perugia gefangen genommen wurde. Nach dem Grauen der Schlacht und fast einem Jahr Kerkerhaft begann er nach einem tieferen Sinn für sein Leben zu suchen. Dieses Ringen nach seiner wahren Berufung dauerte gut zwei Jahre. Einerseits versuchte er wieder mit seinen Freunden zu festen, andererseits zog es ihn in die Einsamkeit. Er suchte sein Glück von neuem in weltlichen Ehren, zog noch einmal in den Krieg, kehrte aber von einer inneren Stimme gemahnt zurück.
Auf seinen einsamen Ritten begegnete er 1206 einem Aussätzigen, in dem er Christus erkannte. Und noch im gleichen Jahr folgte der endgültige Durchbruch vor einem byzantinischen Kreuz in der Kapelle von San Damiano. Franziskus bat den Herrn flehentlich, die Dunkelheit seines Herzens zu erhellen, und hörte die Stimme des Gekreuzigten, der zu ihm sagte: Franziskus, geh und stelle meine Kirche wieder her, die zu zerfallen droht! Sofort machte er sich ans Werk und prophezeite, dass in San Damiano einmal heilige Frauen wohnen würden. Nach San Damiano restaurierte er auch die Kapelle Maria von den Engeln in Portiunkula. Von seinem Vater verstoßen und enterbt lebte er nun als armer Bettler.
Im Februar 1209 hörte er in Portiunkula das Evangelium von der Aussendungsrede (Mt 10,7-19). Von nun an trug er keinen Stab, keine Schuhe und keinen Beutel mehr. Er vertauschte den Gurt, der auch als Geldbeutel dienen konnte, mit einem Strick und lebte radikal nach dem Evangelium. Noch im gleichen Jahr kamen die ersten Gefährten, angezogen durch seine ungeheure Ausstrahlung, und Portiunkula wurde zur Wiege des franziskanischen Ordens.
Auch Clara Offreduccio di Favarone wurde in Assisi geboren, um 1193/4. Sie gehörte zu den Adeligen, die in Perugia im Exil leben mussten, bis die aufständischen Kaufleute von Assisi – mit denen auch Franziskus kämpfte – 1202/3 geschlagen wurden. 1210 hörte sie von den spektakulären Predigten des Franziskus und traf sich heimlich mit ihm. Das vollständig nach dem Evangelium ausgerichtete Leben, das Franziskus verkündete, entsprach ihrer tiefsten Sehnsucht, und so verließ die 18-jährige Frau, die schon einige Ehe-Interessenten abgewiesen hatte, in der Nacht des Palmsonntags 1212 heimlich das Elternhaus und wurde von Franziskus in Portiunkula eingekleidet. Nach einigen Wochen – in denen auch ihre jüngere Schwester Agnes zu ihr gestoßen war – führte Franziskus die beiden Frauen nach San Damiano, und die kleine Gemeinschaft begann zu wachsen.
Obwohl Clara sich zeitlebens als kleine Pflanze des seligen Franziskus bezeichnete, ahmte sie ihn nicht einfach nach, sondern lebte ihre Berufung in großer Reife so, wie der Herr sie ihr ins Herz gelegt hatte.
Genau wie Franziskus erkannte sie die Armut, die nicht einfach dem Willen zum Verzicht entspringt, sondern die Antwort der Liebe ist, die wir dem Herrn geben, der nichts von sich zurückbehielt, um sich uns ganz hinzugeben, als so entscheidend, dass sie mit der kirchlichen Obrigkeit ein Leben lang um das Privileg der vollkommenen Armut rang. Aber es war dem Kloster nicht verboten, soviel zu besitzen, bzw. anzunehmen, wie die Schwestern zum Leben brauchten. Dagegen hatte Franziskus den Brüdern strikte verboten, Geld zu berühren oder anzunehmen.
Und während Franziskus sein Leben in Zeiten der Kontemplation und Zeiten des apostolischen Wirkens (Predigens) aufteilte, lebte Clara mit ihren Schwestern rein kontemplativ. Ja, es kam sogar so weit, dass Franziskus den Eindruck hatte, sie hätte das Bessere erwählt, und sie um ihr Gebet und ihren Rat fragte, ob auch er so leben solle. Clara betete und verwies Franziskus auf das aktive Leben.
Nicht nur Franziskus, auch viele weltliche und kirchliche Würdenträger, ja selbst Päpste, ließen sich von Clara beraten. Und wenn sie ein Kreuzzeichen über Kranke machte, wurden diese oftmals geheilt. Wenn sie aus der Betrachtung kam, lag auf ihrem Antlitz ein übernatürliches Strahlen, das die Schwestern mit Freude erfüllte.
Als die Sarazenen 1240 in das Kloster eindringen wollten, ließ sich Clara, die seit 15 Jahren krank und bettlägerig war, von den Schwestern aufrichten und trat ihnen – von den Schwestern gestützt – betend mit dem heiligen Altarssakrament (vom zugeordneten Priesterbruder getragen) entgegen. Da zerstoben sie in wilder Angst. Ein Jahr später wurde Assisi auf ihr Gebet abermals von plündernden Scharen auf wunderbare Weise befreit.
Kurz vor ihrem Tod schrieb Clara als erste Frau eine eigene Regel für ihr Kloster. Als sie am 11. August 1253 starb, betete sie in großer Gelassenheit und Freude: Geh hin in Sicherheit (meine Seele), denn du hast ein gutes Geleit. Der dich erschaffen hat, hat dich geheiligt. Er hat dich stets behütet wie eine Mutter ihr Kind und dich mit zärtlicher Liebe geliebt. – Sei gepriesen, Herr, weil du mich erschaffen hast! (Celano)
So versuchen auch wir, unsere eigene Berufung treu zu leben und für die Kirche und die Welt fruchtbar zu werden.